Christoph Keller
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– war das ein Gaudi im Hätterenwald! – man muss schon von allen We­gen abkom­men, um den Hochsitz, wo sich der Jäger am Ehesten zeigt, gut ins Visier zu bekommen – man muss in aller Herrgottsfrühe aufstehen und Ge­duld haben – er er­scheint mit dem ersten Ta­geslicht – wir liegen schussbereit im Gebüsch, als einer er­scheint – er schaut sich um, ob ihm ein anderer Jäger zu­vor­ge­kommen ist, sein geschultertes Ge­wehr ragt aus ihm heraus wie ein Horn – so hat er die Hände für die Sprossen frei – einsilbige Schimpfwörter aus­stossend, zieht sich der meist etwas beleibte Jäger recht behend Spros­se für Spros­se zur Hochsitz­platt­­form hoch – bevor er sich dort mit einer Geduld, die er weder sei­nem Weibchen noch seinem Nach­wuchs entgegenbringt, auf die Lauer legt, öffnet er ein fla­ches Fläschchen aus Metall und nimmt einen kräf­tigen Schluck – das ist der Augenblick, in dem man den Jäger am Leich­­testen er­wischt – Stieglitz drückte den Abzug der Winchester, die er seinem Vater ent­wen­­det hat­te und die ich nicht einmal berühren durf­te, und donnerte seine Ladung dem Jäger entgegen – erfolg­reich, da es so­gleich vor Schmerz und Überraschung und Wut vom Hochsitz röhr­­te! – der Getroffene mag einen Augenblick lang geglaubt ha­ben, seine Beute habe ihn angegriffen – Peng! schiesst der hinterhältige Ha­se aus einem Busch, Paff! erlegt ihn feige das Reh von hin­ten! Jäger sind einfach gestrickte Wesen, teilen die Welt in lebend-oder-tot ein – was der Jä­ger nicht kennt, auf das schiesst er, doch unser Jäger be­griff rasch, dass nicht der Fuchsbestand auf ihn geschossen hatte, son­dern zwei Halb­starke, deren Ki­chern ihr Versteck verriet – er schwang sich auf die Hoch­sitz­leiter – jetzt sahen wir, wie stark er blutete: aus dem Ober­schen­kel, was ein gutes Zeichen war, denn wir wollten nur eine Lek­tion erteilen – in den Fil­men, die wir uns ansahen, sprach starkes Bluten stets für eine Fleisch­wun­de, welche die hübsche Freun­din ver­bin­det, die sich auf diese Weise als erfahrene Krankenschwester zu er­kennen gibt – und es floss, das Blut: aus der Hose, über die Schuhe und die Hochsitzleiter auf die Wiese vor dem Hät­te­renwald! – seine Blutspur ging dem Jäger voran, nicht um­gekehrt der Jäger seiner Blutspur – wir lachten, Stieg­litz und ich – doch als wir merk­ten, dass ihn sein ange­schos­se­ner Gang dennoch rasch in unsere Rich­tung brachte, ver­ging es uns – zwar hum­pelte er mit seinem verletzten Ober­schen­kel, doch hum­pelte er rasch, sprint­humpelte ge­ra­­dezu – wir in die Wiese – da sahen wir, dass zwischen uns und un­se­rem Jäger an einem Baum ein Moped lehnte – „Wir trennen uns!“, schrie Stieglitz, der Verräter, und zog sich in den vor einem Moped sichereren Hätterenwald zurück – ich stand ex­po­niert – mir blieb nur weiter in die Wiese – der Jäger, schon auf seinem Moped, wählte mich und riss es mit einem jä­hen Röhren in meine Richtung – kei­ne fünfzig Meter trenn­ten uns, die Wiese verlief eben­erdig, der üb­li­che filigrane Baum ein­sam am Horizont –plötzlich hielt er an – ich ebenso – er legte auf mich an – ich, eine beweglose Silhou­ette vor dem Morgenhimmel – der Schuss aber kam nicht – was ging in dem Tot-oder-Lebendig-Hirn des Jägers vor? – da sah ich Stieglitz hinter ihm, er stand jetzt wie­der auf dem Pfad – so gründlich hatte er mich ver­raten, dass er sehen wollte, wie ich vom Jäger erlegt würde – ich sah mich schon kopfüber von den Jäger­schul­tern bau­meln, sah mich im Kof­ferraum seines Autos, obwohl er mit dem Mo­ped unter­wegs war, sah mich ausge­weidet in Plastikbeutel ab­ge­füllt im Tief­kühler, sah mich als Weihnachts­bra­ten zu­be­reitet – war es schon bald wieder Weih­nachten? – ich schloss die Augen, wie immer griff Stieg­litz ein – schrie – so­dass der Jäger her­um­­wir­bel­te, von mir ab­liess, und in den Hätterenwald schoss – schoss und fiel – lag röhrend da, zuckend, waid­wund wie ein gefälltes Reh – doch auch des Jägers Beute lag –Stieglitz war gefallen – in den Tod? – in der Film­sprache, die ich später an seiner Statt büf­felte, nennt man das Fore­shadowing, etwas Kleines wirft seinen Schatten voraus auf etwas vergleichbar Grösseres: frü­her kleiner Tod zeigt den spä­teren grossen Tod an, das gibt dem Film Struktur, dem auf­merksamen Zuschauer etwas zum Erraten – intelligentere Zu­schauer können sich über den dümmsten Film begeistern, wenn sie auf diese Weise recht bekommen, dümmere Zu­schau­er begeistert in der Regel schon die Tatsache, dass gestorben wird – mich aber hatte auf der Hätterenwaldwiese der Mut ge­packt – war das eine Freund­schaft! – Stieglitz und ich! – also doch: er hatte mein Leben gerettet! – von nun an schuldete ich ihm alles! – ich schritt auf den liegenden Jäger zu, der jetzt sein Gewehr nicht mehr hielt, son­dern sich an ihm fest­klam­merte, schritt an ihm vorbei, sprang auf den Pfad, wo mich Stieglitz grinsend und heil­ge­sund er­war­tete – ab in den Wald mit ihm – durchs wilde Hät­te­ren­waldi­stan! – vom Jäger hörten wir nie wieder etwas, es muss ein Wilderer gewesen sein – oder aber ein Jäger darf nicht zugeben, ange­schos­sen worden zu sein – schon gar nicht von Halbstarken, die er erst für Wild ge­hal­ten hat – wir begannen in der Stadt die Legen­de von den zu­rück­­schiessenden Tieren zu verbreiten – flü­sternd erzählten wir die selbstverfasste Ballade vom Füsilier Has nach dem Reim­muster von Schillers Glocke, die wir in der Schule auswendig zu lernen hatten, die Ballade vom HD Bambi nach dem des Er­len­königs und die Ballade vom ballerenden Biber in schnitzel­bänkelnden Freiversen – wer uns nicht glaubte, den schickten wir zum Hochsitz im Hätterenwald, wo das üppig vergossene Jä­gerblut unser klebriger Zeuge war – bald darauf kam es zur Ha­sen­schwemme, zur Rehplage, die Füchse zogen durch die Stadt, es wurde von schafereissenden Wölfen, von ho­nig­steh­len­den Bären berichtet –
      aus Das Steinauge
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