Das Loch
Ich hatte vorgeschlagen, auf die Post zu gehen und uns selber ein Expresspaket zu schicken, doch Samis Idee, den Pizzahauslieferdienst zu beanspruchen, erwies sich als weniger umständlich, zumal wir auf diese Weise gleichzeitig das Problem des Abendessens gelöst hatten. Immer nur Toast, Crackers, Schokolade oder Popcorn schlug sich allmählich auf unsere Mägen nieder, und an die von Vater sorgfältig als ‘Rehrücken ‘91’ oder ‘Hirschragout ‘93’ gekennzeichneten Gefrierbeutel wollten wir uns nicht ranmachen - zuviel Arbeit.
Seit bald zehn Tagen hatten wir das Wochenendhaus meines Vaters belegt, der sich selber im Ferienhaus auf Elba aufhielt. Hier wurde in unserer Familie oder was davon übrigblieb klar unterschieden: Ferienhaus bedeutete Elba, Wochenendhaus das Hexenhäuschen bei Flawil, das sich, wie Vater gerne sagte, via Mutter eingeheiratet hatte. Jetzt hatte es ausgedient, denn Mutter war tot, und Vater hatte Elba dazugeheiratet. Er hatte, mittlerweile ist auch er tot, ein Talent, Frauen mit Zweithäusern für sich zu begeistern (selber besass er keines). Elba war eindeutig eine Verbesserung: Schwimmbad, sechs Zimmer, Sicht aufs Meer, Valentina. Elba aber bedeutete auch, dass Flawil als Ferienoption zumindest für den langen Sommer nicht mehr in Frage kam. Valentina, Vaters Zweite, führte in unserem Haushalt, an dem ich bald nicht mehr teilhaben sollte, die villeggiatura ein, das Sommerfrischlen, wie er es sperrig übersetzte.
Auf diesen Ausdruck bin ich oft gestossen, seit ich den Fernseher gegen die Bibliothek der Jugendstrafvollzugsanstalt eingetauscht und dort meine Liebe zur italienischen Literatur entdeckt habe. Vor allem die Stücke Goldonis und Gozzis hatten es mir angetan – Theater lesen ist, trägt man nur die primitivsten visuellen Voraussetzungen dafür in sich, wie Fernsehen ohne Bildschirm. Kopffernsehen: Aus den Worten entstehen Bilder, aus den Bildern entsteht Wirklichkeit. Das brachte mich in diese Zelle, und jetzt lässt es sie mich aushalten.
Erst empfand ich den Fernsehentzug (der Fernseher gilt als Ursache meiner Tat) als schlimmsten Teil der Strafe. Bald stellte ich jedoch fest, dass ich ihn nicht mehr benötigte, weil ich während meiner Fernsehzeit genügend Rohmaterial für Filme in meinem Kopf abgespeichert habe. Es sind alle Elemente vorhanden; meine Fantasie braucht sie nur zu kombinieren. Eine kleine Willensanstrengung, vergleichbar einem kraftvollen Zusammendrücken der Augenlider, setzt sie mit kaum spürbarem Ruck in Bewegung.
Mein psychologischer Betreuer spricht in diesem Zusammenhang von Sucht. Er deutete bereits an, die Sucht sei überwunden, da ich nie den Wunsch geäussert hätte, vor die Glotze zurückzukehren und meinen Geist brav mit der seiner Meinung nach ungefährlichen Weltliteratur füttere, über welche die Gefängnisbibliothek dank eines geläuterten ehemaligen Insassen verfügt, der es jenseits der Mauern zum Gönner gebracht hat. Meine Sucht, wenn es denn eine gewesen ist, kannte keine Phase der Entzugserscheinungen: Tobsucht, Selbstverzehr, Schaum vor dem Mund, schwärzeste Depression, Todeswunsch, Sturz in die Tiefenlosigkeit - all das gab es nicht. Die Sucht war einfach weg.
Hier könnte sich mein Betreuer irren. Er ahnt nicht, dass ich, wenn ich mich auf den Stuhl setze und die kahle Wand meiner Zelle anblicke, nach einem Moment äusserster Konzentration längst selbst in der Lage bin, Bildabfolgen entstehen zu lassen; Bildabfolgen, so scheint mir in jüngster Zeit vermehrt, die an der Wand haften bleiben, obwohl ich meine Augen bereits abgewendet habe.
Damals also herrschten Sami und ich allein über das Häuschen in Flawil. Ich hatte mich in jenem Sommer geweigert, Vater nach Elba zu begleiten; die ablehnende Haltung der von Vater exklusiv besitzergreifenden Valentina war deutlich genug, so dass meine Verweigerung ihr zuvorkam und mir zudem die Gloriole verfrühten Erwachsenseins verlieh. Man konnte mich bedenkenlos mir selber überlassen und mich gar Sami anvertrauen, mit dem zusammen mich Mutter nie gerne gesehen hatte. Kein Problem, Vater zu überzeugen; es entband ihn der peinlichen Pflicht, Nischen des Alleinseins mit Valentina zu finden, statt überall spontan den Trieben nachgeben zu können, und so freute er sich über meine frühe Selbständigkeit; ein gutes Zeichen, wie wir alle fanden.
Das Haus liegt in einem Loch. Wahrhaftig, in einem Loch; und dennoch gehört es zu den anziehendsten Flecken Erde, die ich kenne. Ein Loch, selbst - oder gerade - ein leeres, ist ein Ort, der darauf wartet, mit einem Mysterium ausgefüllt zu werden. Die Voraussetzungen für unser Vorhaben, das sich allerdings erst allmählich während unserer Anwesenheit herauskristallisierte, waren ideal. Mit dem Auto erreicht man das Haus nicht. Man muss es oben, in der Nähe der Landstrasse, stehen lassen (wo auch der Pizzaausträger seinen weissen, rot beschrifteten Ford-Kombi hinstellte) und dem Kiesweg in den Wald folgen. Dort verwandelte er sich in einen Lehmpfad und bei strömendem Regen, in den wir an unserem ersten Tag gerieten, in ein zähflüssiges Bett. Wir stapften tapfer voran. Sami haute es der Länge nach hin. Ich grinste: Er kippte buchstäblich aus seinen Halbschuhen, die im Lehm steckenblieben. Im Haus angekommen zog er sich aus und wickelte sich in eine Wolldecke ein, um die einzigen Klamotten, die er mitgebracht hatte, vor dem Cheminée trocknen zu lassen. Romantisch. Wäre er nur ein Mädchen gewesen und ich damals fantasiebegabter!
Unser Häuschen befindet sich unten im Kessel in einer Waldlichtung. Die Bäume kletteren den Hang hoch, doch wo er sich unten verflacht und die Ebene einsetzt, wächst Wiese, gesprenkelt von Hahnenfuss, Schlüsselblümchen und Sauerampfer. In den Beeten ums Haus hatte Mutter Rosen, Beeren, Salate, Radieschen und anderes angepflanzt, die sich jedesmal, wenn wir herkamen, in einem (wie Vater das nannte) ‘desolaten Zustand’ befanden. Sami und ich hatten versprochen, uns darum zu kümmern. Auf dieses Versäumnis ist Vater natürlich nie zu sprechen gekommen.
Die Sonne dringt nur in den Trichter ein, wenn sie hoch am Firmament steht, im Sommer zwischen zwölf und halb drei. Im Winter bleib sie ganz weg, ein ewig kaltes Loch, das wir immer gemieden haben. Mich wunderte immer, weshalb es das Loch damals, als noch mehr Schnee fiel, nicht zuschneite, den Garten erst, das Parterre, den ersten Stock, schliesslich das Dach, bis nur noch der rauchende Kamin herausgeschaut hätte. Wir wären - als ich mir das vorstellte, war ich vielleicht sieben - selbstredend im Haus geblieben.
Sami also hatte vorgeschlagen, den Pizzaausträger in den Trichter zu locken, wenn es in diesem schon finster war, so gegen fünf, wenn oben oder ‘draussen’, wie wir es nannten, die Sonne noch schien, sie bei uns aber - zum Erstaunen des Eindringlings - bereits verschwunden war. Sami hatte recht: Nie werde ich das verstörte Gesicht des vielleicht vierzigjährigen Mannes vergessen (heute, älter geworden, würde ich ihm eher die dreissig Jahre geben, die er laut Polizeibericht gehabt haben soll), der aus seiner sonnigen Welt kommend, durch den Wald verwandelt, in unsere unwirkliche, aber, wie er sogleich feststellte, dennoch existierende - wir fackelten nicht lange - Welt eintauchte.
Im übrigen braucht es keine sonderlichen Kunstfertigkeiten, einen Pizzaausträger anzulocken - es genügt, eine Telefonnummer zu wählen, die Bestellung aufzugeben (Calamares für Sami, Quattrostagione für mich), und eine knappe Stunde später steht er da. Er steigt in unserer Loch hinab, in seine Falle, in die ihn jeder seiner Aufträge und die Aussicht auf zwei Franken Trinkgeld lockt - keine Maus hätte auch nur eine Sekunde gezögert.
Ich bestehe darauf: Diese ganze Angelegenheit hat mit einem Verbrechen nichts zu tun. Es ist lediglich eine minime Abweichung vom üblichen Verhalten. Man braucht am Telefon nicht einmal die Stimme zu verstellen. Wir gaben der Frau am Telefon unsere (korrekten) Namen und die Adresse an. In unserem Fall war lediglich darauf zu achten, dass er den komplizierten Zugang zu unserem Haus finden würde, bevor die Pizzen kalt waren.
Mein Betreuer hat schon recht, wenn er sagt, das Weltengefüge könne nur weiterbestehen, wenn alle gewisse Regeln einhielten und ein grundsätzliches gegenseitiges Vertrauen erhalten bliebe.
In diesen zehn Tagen, spät genug, wie wir fanden - wir waren damals schon dreizehn -, begannen wir mit dem Rauchen und gingen rasch zum Kiffen über. Wir erkundeten hier unseren ersten Suff. Das höllische Gemisch aus allem Alkoholischen, was wir in Vaters vernachlässigtem ersten Zweithaus noch auftreiben konnten, reichte für einen zwei Tage andauernden Kater und versetzte uns in einen faszinierenden Schwebezustand zwischen dröhnendem Schmerz und betäubender Wohligkeit, zwischen Halbschlaf und Tagtraum, den wir mit den Bildern des ständig eingeschalteten Fernsehers durchmischten. Wir plauderten mit willkürlich ausgewählten Telefonbuchbekanntschaften (hier hätte sich ein hochinteressantes Betätigungsfeld mit von der eigenen Fantasie vernachlässigten Menschen aufgetan - was waren die Angerufenen in ihrer Einsamkeit willig, sich mit uns, völlig unbekannten, schnoddrigen Halbwüchsigen, zu unterhalten!) und probierten die 156er-Nummern durch, die in den Gratisanzeigern zu allerlei Sexaktivitäten aufforderten.
Wir lockten ein Mädchen aus unserer Klasse hierher. Beide, Sami und ich, gingen mit spektakulärem Desinteresse am dargebotenem Lehrstoff ins Untergymnasium, weil unsere Eltern das so haben wollten und aus demselben Grund blieb nichts im Gedächtnis haften. Das Mädchen, ein charmantes Ding, wusste nichts mit uns oder wir nichts mit ihr anzufangen. So gesehen hatte sie Glück, denn unser Vorhaben (nicht Verbrechen!) hätte uns durchaus einen Tag früher in den Sinn kommen können, und Marianne hätte den Pizzaausträger ersetzt. Aber das kam nicht in Frage, obwohl wir diese Überlegung gar nicht angestellt hatten. Sie trug einen uns bekannten Namen und hätte in unserer Klasse eine Lücke hinterlassen. Diese Lücke hinterliessen nun Sami und ich. Dennoch waren wir nicht wirklich überrascht, als noch am nächsten Abend - Marianne schlief bereits friedlich im eigenen Bett - die Polizei in unserem Kessel auftauchte und uns mitnahm.
Was Marianne angeht, muss ich nachträglich feststellen, dass es für uns, Sami und mich, bislang die einzige Gelegenheit war, diesen Aspekt des Lebens gleichsam live und nicht ab Konserve kennenzulernen. Ich bilde mir ein, sie hätte nichts gegen ein Abenteuer mit mir, vielleicht sogar mit uns beiden einzuwenden, es möglicherweise gar daraufangelegt gehabt. Kommt dazu, dass Marianne das erste Mädchen war, für das ich ein gewisses zögerliches Interesse entwickelte - oder entwickelt hätte, wäre mir die nötige Reifezeit dafür zur Verfügung gestanden. Nicht, dass sie mir sonderlich gefiel, doch hatte sie mir das Näherkommen erleichtert, indem sie mir näher kam, näher kommen wollte, als ich (und vielleicht auch sie) damals begriff. Jetzt, in meinen Träumen, hat sie freien Zugang zu mir, und ich weiss manchmal nicht mehr, ob wir damals in unserm Hexenhäuschen nicht doch miteinander geschlafen haben.
Sami tritt in diesen Träumen nicht auf. Wir waren Freunde. Oder sagen wir besser: Kollegen, die zufällig - gleicher Schulweg - miteinander ihre Zeit verbrachten. Mittlerweile habe ich gelernt, den Unterschied zwischen einem Freund (ich habe hier keinen gefunden) und der Interessengemeinschaft zweier Gleichaltriger zu machen, die sich auseinanderleben werden, was nur eine Frage des Heranwachsens ist. Unsere gemeinsame Tat macht uns lebenslänglich zu Freunden und verhindert diese Freundschaft gleichzeitig. War es Samis Idee? Ich weiss es nicht mehr. Es spielt auch keine Rolle.
Mein Betreuer stellte während einer unserer zahlreichen Sitzungen ernüchtert fest, dass ich für Gewissensbisse, wie er sich ausdrückte, ‘nicht disponiert’ sei. Er sagt, ich hätte kein Unrechtsbewusstsein, ein strukturelles Manko, ein Loch, das während der ersten Jahre meiner Existenz in das Gewebe meines Charakters gerissen worden sei. Ich hätte nicht, noch immer nicht, begriffen und würde, so wie er das nun sehe, wohl nie begreifen, dass ich etwas Unrechtes getan hätte.
Es ist wahr, unsere Tat quält mich nicht (ich weiss nicht, wie es Sami, der sich in einer anderen Strafanstalt befindet, geht). Ich sehe nicht ein, was es ändern würde, quälten mich düstere Gedanken. Wem wäre damit geholfen? Wer wäre dann zufrieden? Ich nahm zur Kenntnis: Es ist nicht richtig, was wir getan haben. Es existiere, lehrt mich hoffnungsvoll immer wieder mein Betreuer, in dieser Hinsicht ein gesellschaftlicher Konsens. Ich habe diese und viele andere Sätze gelernt wie die fremd klingenden Sätze einer Sprache, die ich auf Abruf spreche, aber nicht verstehe. Es bereitet mir keinerlei Mühe, sie jemanden aufzusagen - etwa meinem Vater, als er mich noch danach gefragt hatte. Es ruft ein bedauerndes Nicken hervor und vermeidet das Gespräch, vielmehr seinen Vortrag über dieses Thema, wenn ich keine sogenannte Einsicht zeige. Ich entwickelte das Gespür für den Augenblick, wann Vater sie hören wollte. Er wiegte in diesen Momenten mit leiser Genugtuung seinen Kopf. Immerhin, wird er sich gedacht haben, ist sein Sohn reuig. Dann stemmte er seinen schwerfälligen Körper hoch und machte, dass er aus der Jugendstrafvollzugsanstalt zu Valentina kam.
Vor einigen Jahren sprach ein Richter, dessen Name ich mir nicht gemerkt habe, ein Urteil über unsere Tat. Ich befand mich zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Zellen. Wände und vergitterte Fenster. Polizeibeamte, Gerichtshof, Schützenhilfe leistende Psychiater. Ja und amen. Ein Hinterhof, öd, wie ein Hinterhof zu sein hat. Alles entspricht unserer Vorstellung, weil wir alles schon gesehen haben. In meiner Zelle war ich schon überall. Es ist alles ein und dasselbe. Ebenso die Welt draussen. Vermutlich gibt es keine Welt mehr draussen. Sie ist hier, hier in meiner Zelle findet sie statt. Der Satz Pascals, die Welt hätte nicht so viele Sorgen, könnte der Mensch nur ruhig in seinem Zimmer sitzenbleiben, verlor mit der Erfindung des Fernsehers seine Gültigkeit.
Ich wurde vorgeführt und stellte mich Befragungen und Tests. Es gab Zeitungsartikel, die sich sehr besorgt über unsere Tat äusserten. Man gab sie mir zum Lesen, doch mehr als Bestätigung lösten sie in mir nicht aus. Es gab eine breit angelegte Medienempörung, die Sami und mir eine Zeitlang zu internationaler Berühmtheit verholfen hat. Es folgten bald vergleichbare, auch spektakulärere Fälle, so dass wir in Vergessenheit gerieten. Sami nutzte die anschwellende Popularitätswoge und schrieb für eine Illustrierte eine Serie über seine Beweggründe, auf deren Basis er ein Buch publizierte, das aber nicht mehr so erfolgreich war; mich interessiert dies nicht. Angebote gab es. Mir genügen meine Bilderabfolgen, meine Hirnfilme, die ich niemandem vorführe.
Ich sagte, ich würde bedauern, dass der Pizzaausträger Frau und Kinder hinterlässt. Auch hier hat der Betreuer recht, wenn er sagt, ich wüsste nicht, was das bedeutet, Frau und Kinder. Die jetzt allein sind. Selber zurechtkommen müssen, wie es weinerlich in Artikeln heisst, die kaum meinen können, was sie da schreiben, sitzen die Schreiber doch, ist der Artikel erschienen, bereits an der nächsten weinerlichen Geschichte. Die Frau müsse jetzt stark sein, und die Kinder wüchsen ohne Vater auf. Ich kann mir nicht vorstellen, was es bedeutet, dass dieser Mensch ein Loch hinterlässt.
Mein Betreuer meint, ich würde nicht wirklich bedauern. Ich gab ihm recht und sagte, ich wüsste nicht, was er mit dem Wort wirklich meine.
„Ist das ein Problem für Sie?“ fragte er mich, stellte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Finger inaneinander und blickte mich an.
„Für mich (sagte ich) ist das kein Problem, weil es für mich in dieser Zelle, aber wohl auch anderswo, kein Problem sein kann, ob es diesen Pizzaausträger gibt oder nicht.“
„Sie haben ihn nicht einmal gekannt.“
Immer wieder sagte ich, ich wüsste nicht, was das Wort wirklich bedeute. Ich weiss es nicht, bis heute nicht, und auch er, mein Betreuer scheint es nicht zu wissen; nicht mehr jedenfalls. Als wir mit unseren Sitzungen begannen, war das kein Problem für ihn.
„Bin ich wirklich?“ fragte ich ihn oft und betonte das Wort übertrieben stark. „Bin ich wirklich? Woran erkenne ich das?“
Ich bin es nicht einmal durch unsere Tat geworden, glaube aber, ich - im Unterschied zu allen, die eine solche Tat nicht begangen haben - war es, wenn auch nur in jenem kurzen, magischen Augenblick des Schiessens. Darum mag mich mein Betreuer beneiden.
Mag sein, dass ich kein Gewissen habe. Ein Gewissen scheint man zu haben, wenn man die Konsequenzen seiner Taten überblickt oder eben, wenn man sie im Nachhinein bereut. Ich habe Träume, doch diese quälen mich nicht. In meinem Kopf, im Schlaf, doch auch wenn ich von meinen italienischen Romanen (in denen, wie mein Betreuer meint, meine Sehnsucht nach Vaters Elba zutage treten würde - Unsinn: Ich würde auch andere Bücher lesen, gäbe es in der Gefängnisblibliothek andere) aufschaue und die leere Wand meiner Zelle anstarre, projiziere ich Gedanken in Bildabfolgen. Meine materialisierten Träume. Ich sehe die Filme jetzt in meinem Kopf. Ich verbüsse meine Strafe äusserlich, indem ich diese Haftanstalt nicht verlassen darf; innerlich aber bin ich frei, weil mich nichts quält. Ist der schmerzfreie Zustand, das wahre Glück, nicht unser aller Ziel? Weshalb sollte ich Qualen auf mich nehmen, wenn mich alle um meinen quallosen Zustand beneiden? Ich kann die Besorgnis meines Betreuers nicht nachvollziehen. Es ist gut, wenn einen nichts quält. Mit der Tat, wie es aussieht, werde ich ihn, nicht er mich überzeugen.
Es waren damals die grossen Sommerferien, die schwülsten Tage seit Menschengedenken, wie mein Grossvater, der immerhin auf über achtzig Sommer zurückblickt und noch immer lebt, sagte, als Sami und ich loszogen. Sami hatte den Karabiner geschultert, obwohl die Idee höchstens unbewusst in uns heranreifte (oder einfach da war, ich weiss es nicht). Wir nahmen den Zug nach Flawil, vom Bahnhof aus sind es vier Stationen mit dem Postauto, dann der Marsch der Landstrasse entlang, weg von ihr und hinein in unseren Trichter. Da waren wir. Die Tage, schwül draussen, einigermassen kühl bei uns im Loch, verstrichen eintönig.
Wir liessen den Pizzaausträger kommen. Der Pizzaausträger war Samis Vorschlag gewesen, das habe ich bereits gesagt, doch erinnere ich mich nicht, wer die Idee gehabt hat. Das Gericht zog keinen von uns in der Schuldfrage vor. Es unterschied nicht, wer zuerst geschossen hatte oder wessen Schuss tödlich war. Ich erinnere mich nur an die Ausführung. Wir schalteten den Fernseher aus. Zum ersten Mal seit fünf Tagen schwieg er. Wir wählten die Nummer. Wir diskutierten, ob es hilfreich wäre, den Namen des Pizzaausträgers zu kennen. Heute weiss ich, dass er Ernesto Manfredi hiess, doch hat das nichts geändert. Mein Betreuer, der nicht verstehen kann, dass ich mich nie nach dem Namen erkundigte und ihn mir schliesslich ungeduldig verriet, könnte ihn erfunden haben. Er spielt mit mir das Was-wäre-wenn-Spiel. Er verändert die Voraussetzungen, den Blickwinkel auf mein Problem (das eher seines geworden ist), um sich an die Beweggründe meiner Tat heranzutasten. Das ist gefährlich. Ich spiele das Spiel mit und habe den Eindruck, Runde für Runde mehr Punkte dazuzugewinnen als er.
„Was wäre, wenn Sie meine Tat erfunden hätten?“ frage ich ihn immer öfter. „Je länger wir von ihr reden, desto unwirklicher wird sie. Ich kann sie mir immer weniger vorstellen.“
Ich habe hier keinerlei Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu überprüfen. Ich muss ihm glauben. Ich kann aber auch beschliessen, ihm nicht zu glauben und, seinem Seelenheil zuliebe, an dem mir liegt - ich mag ihn -, einfach mitzuspielen. Ich denke nicht, dass er mich durchschaut. Die Artikel, die Fernsehberichte, das Blut damals, das Gefängnis jetzt - das alles könnte zu einem mir unbekannten Zweck inszeniert worden sein. Selbst die Tatsache, dass unsere Schüsse vor dem Haus Konsequenzen nach sich zogen, kann ich nicht mehr als Beweis gelten lassen, dass der Mord wirklich geschah. Alles scheint mir eingebildet, erfunden, gestellt. Je länger mein Körper hier festsitzt, je befreiter sich mein Geist bewegt, desto unwirklicher kommt mir alles vor. Schon als uns die Polizei noch am selben Abend festnahm, war uns, als wohnten wir einer Szene bei, die wir bereits kannten. Manchmal sehe ich Fernsehkameras vor mir, die auf der Wiese vor dem Haus standen. Längst ist alles vergangen. Die einzigen Beweise meiner Vergangenheit sind Dokumente, die sich leicht fälschen lassen.
Es ist alles ungreifbar geworden. Die Tatsache, dass ich hier sitze, verstärkt dieses Gefühl. Ist das Gefängnis wirklich? Weil ich die Wände abtasten kann? Wer sagt mir, was jenseits der Wände ist, und wer sagt mir, dass ich es glauben kann? Es mag einen Namen haben, doch die Gefängnisse, die es am Fernsehen zu sehen gibt, tragen auch Namen. Unser Gefängnis wurde einmal zum Schauplatz der Dreharbeiten eines Krimis, der am Fernsehen ausgestrahlt wurde, was sich alle Insassen (für einmal war es auch mir gestattet) anschauten. Ein anderes Mal gab es eine Reportage über unsere Anstalt am Fernsehen. Sie wurde beim Namen genannt, und der Direktor, der hiess wie er eben heisst, machte eine Bemerkung zum modernen Jugendstrafvollzug. Ein Insasse - Joe -, durfte eine Bemerkung machen, die jener des Direktors nicht allzu widersprach, und hält sich seither für einen Filmstar.
Ja, das Blut war echt. Es roch, war klebrig und als mir davon an die Finger geriet, verursachte das ein flaues Gefühl im Magen. Das ist meine wirklichste Erinnerung.
Er blutete wie ein Schwein, sagte Sami. Er behauptete, die Halsschlagader getroffen zu haben. Der Pizzaausträger ging sofort zu Boden. Er war uns aus dem Wald über die Wiese entgegengelaufen und öffnete, als er uns sah, den Mund, um etwas zu sagen. Da traf ihn Samis Schuss in die Brust (nicht in die Halsschlagader). Er stockte im Satz, den wir aus den Fragmenten nicht rekonstruieren konnten, doch was kann er uns schon zu sagen gehabt haben? Er stockte im Schritt, streckte uns - was komisch wirkte, und Sami lachte tatsächlich auf - die beiden Pizzen mit einer eigenartig eleganten Bewegung entgegen und fiel rücklings zu Boden.
Ich mag es, diesen Augenblick in der Erinnerung etwas zu überdehnen. Die Beine des Pizzaausträgers knicken ein, und langsam zieht dieser Vorgang den Oberkörper nach unten. Damals war in der Physikklasse von den Gesetzen der Gravitation die Rede, die der Austräger vorbildlich, nur in meiner Erinnerung eben zu langsam, befolgte. Die Arme, die eben noch die Pizzen hielten, sacken ab und aus dem zum Sprechen geöffneten Mund dringt ein stummer Schrei, der die Form einer Blutfontäne annimmt.
An dieser Stelle unterscheidet sich meine Aussage von jener Samis. Ich behaupte, was er „wie ein Schwein bluten“ nennt, sei aus dem Mund gespritzt, während er nicht von der Halsschlagaderversion abzubringen ist. Der Höhepunkt meines Erinnerungsfilmes aber sind die beiden Pizzen, die während des ganzen, eben geschilderten Vorganges in der Luft ausharrten und ihrem Überbringer erst nachfolgten, als dieser zu Boden gegangen war. Das Gras fing das Geräusch der Pizzen ab. Es stellte sich heraus, dass meine Quattrostagione eingedrückt, die Calamares jedoch – sie hielt der Auslieferer oben - ganz geblieben waren.
Ich gab den zweiten Schuss ab. Später erfuhren wir, dass dieser nicht mehr nötig gewesen wäre. Der Pizzaausträger soll sofort tot gewesen sein. Sami gab mir den Karabiner, den er sich erst vor wenigen Wochen gekauft hat (hochgewachsen wie er war, sah er fast wie achtzehn aus) und folgte mir über die Wiese zum Austräger. Blut sickerte aus dessen Mund. Er lag auf seinem rechten Arm, den er sich beim Sturz gebrochen hatte, wie ich später erfuhr. Ein Bein war angewinkelt und abgedreht. Ich trat näher an den Mann heran, legte den Karabiner in Anschlag und feuerte. Es ärgerte mich sehr (und ärgert mich noch heute), dass ich auf diese Distanz verfehlte, während Sami seinen Schuss auf ein gutes Dutzend Meter sauber plazierte. An diesem Fehlschuss ging letztlich unsere Freundschaft zu Bruch.
Sami war wieder dran. Er schüttelte den Kopf. „Du noch einmal“, bedeutete er mir.
Ich nutzte meine zweite Chance, legte neu an, und diesmal gelang es mir, ihm das Gehirn wegzublasen. Vom Effekt war ich enttäuscht. Das Gehirn spritzte nicht ins Gras. Der Kopf zerplatzte nicht. Auf den Knall des Schusses folgte ein Sauggeräusch, als schliesse jemand eine Kühlschranktür. Der Kopf hüpfte hoch, schlug erneut gegen den Boden und sackte zur Seite weg.
Das war alles.
Sami verzichtete auf einen weiteren Schuss. Mir war es auch verleidet. Er stiess mit dem Schuh gegen den Schuh des Austrägers, was nur bestätigte, was wir ohnehin wussten: Der Kerl war tot. Die Szene war vorbei. Ich nahm die Pizzen, wischte die Blutspritzer im Gras ab, und lief Sami voraus ins Haus. Er schaltete den Fernseher wieder ein. Da wir die Läden während der Mittagshitze geschlossen hatten (tatsächlich waren sie Tag und Nacht zu), war das Haus angenehm kühl.
The Hole
Translated from the German
by Alison Gallup
I had suggested going to FedEx and sending ourselves a package, but Sami's idea, to make use of the pizza delivery service, proved less complicated, and simultaneously allowed us to solve the problem of dinner. It was always either toast, crackers, chocolate or popcorn that ended up in our stomachs; we didn't want to deal with the freezer bags that had been carefully labeled by father, "loin of venison '91" or "venison ragout '93."
It had been almost ten days since we had taken up residence in my father's weekend cabin. In the meantime, he had gone to the vacation house on Elba. Our family, or what was left of it, made a clear distinction: vacation house meant Elba; weekend cabin, the gingerbread house near Flawil, that had, as father liked to say, been married into via mother. It had had its day, for mother was dead, and father had since married Elba. He had a talent for getting women with second houses. Elba was without question an improvement over Flawil: swimming pool, six rooms, view of the sea, Valentina. But whether Valentina was an improvement over my mother I'm not so sure. Elba therefore supplanted Flawil as a vacation option, at least for the long summers. Valentina introduced into our household – a household of which I would soon no longer be a part – the villeggiatura, or as father clumsily translated it: the summer vacation retreat.
I have often come across this expression in the juvenile offenders' penal institution library, having discovered there my love for Italian literature. It has been, most of all, the plays of Goldoni and Gozzi that have made quite an impression on me. Except for a staged version or two of a fairy tale, adapted for children around Christmas time, I've never seen a play – a real play. Thus, I'm not sure whether what I'm staging in my mind actually is theatre. It doesn't matter to me. My talent for imagining fiction beyond the limitations of its genre – a painting beyond its frame, TV beyond its box –, thus for willing made-up stuff into reality, as the psychologist in charge of my case sloppily puts it, is what brought me to this cell. What my psychologist doesn't seem to realize is that now it's what makes being here bearable.
It wasn't that my father hadn't asked me to join him and Valentina. I had declined the offer to accompany them to Elba that summer; Valentina saw me as a rival for my father's affection, so that my refusal not only delighted her but, moreover, bestowed upon me the aura of premature adulthood. There was no question that I could be left to my own devices, and even to Sami's, whereas my mother had never much liked seeing Sami and me together. No problem convincing father; it released him from the embarrassing duty of having to find pockets of privacy with Valentina instead of being able to yield wherever and whenever to urges, and so he was happy about my budding independence; a good sign, we all thought.
Our cabin is in a hole. I'm not speaking metaphorically. It is literally built – by my mother's father from whom I must have inherited my reclusive gene – into a deep hollow in the woods. It is among the most inviting spots on earth that I know. A hole, even – or especially – an empty one, is a place waiting to be filled with a mystery. The trees climb up the sloping sides, but below, where the hollow levels out and the flat terrain begins, grass grows, dotted with buttercups, cowslips and sorrel. In the flowerbeds around the house, mother had planted roses, berries, lettuce, radishes and an indiscriminate variety of other flowers and vegetables, which, now that she was gone, were in (as father called it) a "desperate state." Sami and I had promised to take care of them. Our failure to do so, given the other events that transpired during our stay, was something father, of course, never got around to complaining about. The sun only penetrates the hole when it's high up in the sky, in the summer between twelve and two-thirty. In the winter it stays away completely, an eternally cold hole that we avoided. I always wondered why the hole hadn't snowed up – first the garden, then the ground floor, the second floor, finally the roof, until only the smoking chimney was still left poking out. We would – I was maybe seven when I imagined this – naturally have remained inside the house.
The conditions were ideal for our plan, which, admittedly, crystallized only gradually. The house couldn't be reached by car. Cars had to be left up above, near the road (that's where the pizza delivery guy would park his white Ford station wagon with the red lettering) and from there you had to follow a gravel path into the woods. There the gravel turned to clay, and in the downpour that caught us on our first day, the path became a viscous mess. We trudged bravely onward. Sami fell flat on his face. I grinned: his shoes stayed stuck in the mud after he literally toppled out of them. Arriving at the house, he undressed and wrapped himself in a woolen blanket while the only clothes he'd brought dried in front of the fireplace. Romantic. Had he only been a girl!
I think it was Sami who suggested ordering the pizza around five, when up above, or 'outside,' as we called it, the sun still shone but, where we were, it had long since disappeared. Sami was right: never will I forget the distraught face of the 40-ish man, who, having left his sunny world and having been metamorphosed by the woods, plunged into our unreal world. As he instantly realized, however, our unreal world was a world that existed all the same.
Incidentally, it doesn't take any kind of special artifice to lure a pizza delivery guy – a calamari, a quattro stagione (for Sami), and within the hour, provided he'll find you, he's there. He descends into his trap, the bait being the prospect of a tip. Even a mouse wouldn't give it a second thought. My psychologist is quite right when he says that the world as such can only continue to survive when everyone abides by certain rules and a fundamental mutual trust is maintained. Yet I insist: this whole affair has nothing to do with a crime. It's merely a deviation from so-called normal behavior.
It was during these ten days – a little late we thought, we were already thirteen at the time – that we started smoking cigarettes. We quickly switched to pot. It was also here that we explored booze for the first time. The hellish mixture of everything alcoholic we were still able to scare up in father's neglected first second home was enough for a two-day-long binge. We were delivered into a fascinating state of suspension between resounding pain and stupefying blissfulness, between half-sleep and daydream, with images from the permanently-on television added to the mix. We chatted with people randomly chosen from the telephone book (a highly interesting range of activities with people slighted by their own imaginations could have resulted from this. What those called were willing, in all their loneliness, to discuss with us, complete strangers and brash adolescents that we were!) and we tried, one after another, the 156-numbers that invited our participation in sundry sexual activities advertised in the free circulars.
We even successfully lured a girl from our class to the cabin. Both Sami and I went to middle school with a spectacular lack of interest in the subjects offered. Susanne, a charming creature, didn't know what to do with us and likewise we with her. And so, she was lucky, for our plan could just as easily have occurred to us earlier and it would have been her and not the pizza delivery guy. As far as Susanne is concerned, I must say in retrospect that it was for us, Sami and me, the only opportunity we'd had to experience this side of life, previously unknown to us, live, so to speak, and not "packaged." She might have been open to having an adventure with me (not with Sami, that was obvious), and even possibly set out to do so, and she was the first girl in whom I developed a hesitating interest. She made our getting closer easier for me, in that she got closer to me, and wanted to get closer than I (and perhaps she as well) understood at the time. Now, in my dreams, she has direct access to me, and I sometimes no longer know if we didn't actually sleep together back then in our little gingerbread house the night before Sami and I carried out our ultimate plan.
Sami doesn't appear in these dreams. We were friends. Or, better said: classmates who happened – same route to school – to spend time with each other. Since then I have learned to make the distinction between a friend (I haven't found one here) and two people of the same age who share the same interests but who will drift apart merely because they grow older. What we did makes us lifelong friends and yet impedes our friendship at the same time. Was it really Sami's idea? I don't know anymore. And it doesn't matter.
Disillusioned, my psychologist determined during one of our numerous sessions that I was "not inclined," as he put it, to feelings of guilt. He says I have no awareness of wrongdoing, a structural deficit, a hole that was torn into the fabric of my character during the first years of my existence.
It's true, I'm not tormented by what we did (I don't know how it is for Sami; he's in a different prison). I fail to see what it would change were dark thoughts to plague me. Who would be helped by that? Who would then be satisfied? But I acknowledged: It isn't right, what we did.
Full of hope, my psychologist instructs me over and over that there is, in this respect, a social consensus. I learned this and many other such phrases like the foreign-sounding sentences of a language that I speak when prompted but don't understand. It's no effort at all for me to recite these phrases; to my father, for instance, when he was still asking me to. Such talk gave rise to a pitying nod and got around the conversation, or rather his lecture on this theme, if I wasn't displaying any so-called insight. I developed an ability to sense the exact instant that father wanted to hear these things. In these moments, he shook his head slowly, with quiet satisfaction. At least he'll have imagined that his son was remorseful. Then he'd hoist his heavy frame up from where he was sitting and go see Valentina.
I was paraded about and surrendered to questionings and tests. There were newspaper articles that voiced great concern over what we had done. I was given these to read, but they served as nothing more than a confirmation for me. There was widespread media outrage, which boosted Sami and me to international fame for a little while. Soon comparable, as well as more spectacular, cases followed, so that we were forgotten. Sami took advantage of the rising swell of popularity and wrote a series for a glossy magazine about his motives, providing the basis for his book, which turned out to be somewhat less successful; such things don't interest me. There were offers. My image sequences, my brain films, which I don't share with anyone, are enough for me.
A few years ago a judge pronounced judgment on what we had done. At different times I was in different cells. Walls and windows with bars. Police officers, courts, supportive psychiatrists. Yes, sir. No, sir. A prison yard desolate as a prison yard should be. Everything is as we imagined it, because we've already seen it all. In my cell, I was everywhere. It's all one and the same. The world outside as well. Presumably there's no longer a world outside. It's here, it's taking place here in my cell. Pascal's saying, that the world would have fewer problems were man only able to sit still in a room, lost its validity with the invention of the television.
I have said that I was sorry that the pizza delivery guy left behind a wife and children. But I don't know what it means when they say that there is now "a hole" where this person once was.
My psychologist thinks that I wasn't really sorry. I admitted he was right and said that I didn't know what he meant by the word "really."
"Is that a problem for you?" he asked me, putting his elbows on the table, clasping his hands and gazing at me.
"For me (I said), that's not a problem, because for me, in this cell, and probably everywhere else as well, it can't be a problem if this pizza delivery guy exists or not." For that matter, "Do I really exist??" I challenged him.
I hadn't even come to exist through what we had done, but believe I – unlike all the people who never committed such an act – was myself even if it was only during that short, magical moment of shooting. I find the concerns of my psychologist incomprehensible. It's a good thing when one is not tormented by anything. In that sense, my psychologist may well envy me.
It was an unusually muggy day. While the idea was ripening, unconsciously, within us (or was it just there?), the rifle we had found in the cabin was lying on the living room floor just waiting to be used. Ten days, humid outside though reasonably cool in our hole, had plodded by monotonously. We turned off the tv. We dialed the number. We discussed if it wouldn't have perhaps been helpful to know the name of the pizza delivery guy, and determined it didn't matter. Today I know his name was Ernesto Sifredi, but that doesn't change anything. My psychologist, who can't fathom why I never wondered, told it to me, though he could have made it up. He plays the what-if-game with me. He changes the conditions, the slant on my problem (that has now become his), groping for the motives for what I did. I play along and have the impression that, round for round, I win more points than he does.
"What if you invented what I did?" I've been asking him more and more frequently. "The longer we speak about it, the more unreal it becomes. It's becoming harder and harder to picture it."
Even if I wanted to, I can't check the validity of his statements from here. I have to believe him. Sometimes I simply want to believe him. The idea that everything is imagined, fabricated, made up is too horrific. Even the fact that our shots in front of the house brought me here is something I can no longer accept as proof that the murder "really" happened. The longer my body is trapped here, the more freely my mind roams and the more unrealistic everything seems. When I suggest that the articles, the television reports, the blood, even the prison where I am, could all have been staged for a purpose unknown to me I can tell that my psychologist is more disturbed than I am. So, I sometimes play along for the sake of his spiritual well-being.
Even as the police were arresting us that very night it was as if we were living a scene that we already knew. Sometimes I think I see television cameras before me, set up in the meadow in front of the house. It's all so long ago. The fact that I'm sitting in this place reinforces this feeling. Is the prison real? Because I can touch the walls? Who tells me what's really on the other side of the walls? This prison was once the setting for the shooting of a thriller that was aired on television and which all the inmates (and for once I was given permission) watched. Another time there was a report about our institution on tv. It was mentioned by name and the warden, who was also called by name, made a remark about modern juvenile offenders' penal systems, and how efficient this one is. One inmate was allowed to make a comment, which wasn't all that different from that of the warden, and since then he thinks himself a movie star.
I remember the blood well. It smelled, and was sticky, when some of it got on my fingers. Sami said he bled like a pig. He claimed he got him in the carotid. The pizza guy fell to the ground immediately. He had walked towards us, out of the woods and over the meadow, and when he saw us he opened his mouth to say something. It was then that Sami's shot hit him. He stopped short, in mid-sentence, a sentence we weren't able to reconstruct from the fragments, but what could he have had to say to us anyway? He stopped short, mid-step, held the two pizzas out toward us in an oddly elegant gesture – it was almost comical, and Sami actually burst out laughing – and fell backwards onto the ground.
I like to draw out this moment a bit in my memory. The legs of the pizza delivery guy give way, and his upper body is slowly pulled downwards. At the time, the laws of gravity were the topic under discussion in our physics class, and the delivery guy obeyed them in a most exemplary way, only just a little too slowly, the way I remembered it. His arms, which just a moment before still held the pizzas, fall, and his mouth, opened and ready to speak, forces out a muted cry that assumes the form of a fountain of blood.
It's here that my account substantially differs from Sami's, something my psychologist keeps reminding me of, probably to prove to me "how real it was." I claim that what Sami refers to as "bleeding like a pig," spurted from the mouth, while he refuses to be dissuaded from the carotid version of the story. However, the high point of my memory film is the two pizzas which waited out the entire, above-described course of events in the air only to follow their bearer after he hit the ground. While Sami's quattro stagione landed upside down, it turned out that my calamari remained fully intact.
I fired the second shot. We later learned that this was unnecessary. He's said to have died instantly. Sami passed me the rifle and followed me across the meadow to the delivery guy. Blood oozed from his mouth. He was lying on his right arm, which he had broken when he fell, as I later found out. One leg was bent and twisted. I moved closer and fired. It really annoyed me (and it still annoys me to this day) that I missed from such close range while Sami neatly hit his mark from a good dozen meters back.
It was Sami's turn again. He shook his head. "You go again," he indicated.
I used my second chance, took aim, and this time managed to blow out his brains. I was disappointed by the effect. The head didn't burst open. The brains didn't spatter in the grass. The bang of the shot was followed by a sucking sound, as if someone were closing a refrigerator door. The head bounced up, struck the ground once more and slumped to one side. If something oozed out of the exit wound, I didn't see it.
That was it.
With his shoe Sami nudged the delivery guy's shoe. Scene over. I wiped the blood off the pizza boxes in the grass and went back to the house ahead of Sami. He turned the tv on again. Because we had closed the shutters against the midday heat (actually they were closed night and day), the house was pleasantly cool.
Ich hatte vorgeschlagen, auf die Post zu gehen und uns selber ein Expresspaket zu schicken, doch Samis Idee, den Pizzahauslieferdienst zu beanspruchen, erwies sich als weniger umständlich, zumal wir auf diese Weise gleichzeitig das Problem des Abendessens gelöst hatten. Immer nur Toast, Crackers, Schokolade oder Popcorn schlug sich allmählich auf unsere Mägen nieder, und an die von Vater sorgfältig als ‘Rehrücken ‘91’ oder ‘Hirschragout ‘93’ gekennzeichneten Gefrierbeutel wollten wir uns nicht ranmachen - zuviel Arbeit.
Seit bald zehn Tagen hatten wir das Wochenendhaus meines Vaters belegt, der sich selber im Ferienhaus auf Elba aufhielt. Hier wurde in unserer Familie oder was davon übrigblieb klar unterschieden: Ferienhaus bedeutete Elba, Wochenendhaus das Hexenhäuschen bei Flawil, das sich, wie Vater gerne sagte, via Mutter eingeheiratet hatte. Jetzt hatte es ausgedient, denn Mutter war tot, und Vater hatte Elba dazugeheiratet. Er hatte, mittlerweile ist auch er tot, ein Talent, Frauen mit Zweithäusern für sich zu begeistern (selber besass er keines). Elba war eindeutig eine Verbesserung: Schwimmbad, sechs Zimmer, Sicht aufs Meer, Valentina. Elba aber bedeutete auch, dass Flawil als Ferienoption zumindest für den langen Sommer nicht mehr in Frage kam. Valentina, Vaters Zweite, führte in unserem Haushalt, an dem ich bald nicht mehr teilhaben sollte, die villeggiatura ein, das Sommerfrischlen, wie er es sperrig übersetzte.
Auf diesen Ausdruck bin ich oft gestossen, seit ich den Fernseher gegen die Bibliothek der Jugendstrafvollzugsanstalt eingetauscht und dort meine Liebe zur italienischen Literatur entdeckt habe. Vor allem die Stücke Goldonis und Gozzis hatten es mir angetan – Theater lesen ist, trägt man nur die primitivsten visuellen Voraussetzungen dafür in sich, wie Fernsehen ohne Bildschirm. Kopffernsehen: Aus den Worten entstehen Bilder, aus den Bildern entsteht Wirklichkeit. Das brachte mich in diese Zelle, und jetzt lässt es sie mich aushalten.
Erst empfand ich den Fernsehentzug (der Fernseher gilt als Ursache meiner Tat) als schlimmsten Teil der Strafe. Bald stellte ich jedoch fest, dass ich ihn nicht mehr benötigte, weil ich während meiner Fernsehzeit genügend Rohmaterial für Filme in meinem Kopf abgespeichert habe. Es sind alle Elemente vorhanden; meine Fantasie braucht sie nur zu kombinieren. Eine kleine Willensanstrengung, vergleichbar einem kraftvollen Zusammendrücken der Augenlider, setzt sie mit kaum spürbarem Ruck in Bewegung.
Mein psychologischer Betreuer spricht in diesem Zusammenhang von Sucht. Er deutete bereits an, die Sucht sei überwunden, da ich nie den Wunsch geäussert hätte, vor die Glotze zurückzukehren und meinen Geist brav mit der seiner Meinung nach ungefährlichen Weltliteratur füttere, über welche die Gefängnisbibliothek dank eines geläuterten ehemaligen Insassen verfügt, der es jenseits der Mauern zum Gönner gebracht hat. Meine Sucht, wenn es denn eine gewesen ist, kannte keine Phase der Entzugserscheinungen: Tobsucht, Selbstverzehr, Schaum vor dem Mund, schwärzeste Depression, Todeswunsch, Sturz in die Tiefenlosigkeit - all das gab es nicht. Die Sucht war einfach weg.
Hier könnte sich mein Betreuer irren. Er ahnt nicht, dass ich, wenn ich mich auf den Stuhl setze und die kahle Wand meiner Zelle anblicke, nach einem Moment äusserster Konzentration längst selbst in der Lage bin, Bildabfolgen entstehen zu lassen; Bildabfolgen, so scheint mir in jüngster Zeit vermehrt, die an der Wand haften bleiben, obwohl ich meine Augen bereits abgewendet habe.
Damals also herrschten Sami und ich allein über das Häuschen in Flawil. Ich hatte mich in jenem Sommer geweigert, Vater nach Elba zu begleiten; die ablehnende Haltung der von Vater exklusiv besitzergreifenden Valentina war deutlich genug, so dass meine Verweigerung ihr zuvorkam und mir zudem die Gloriole verfrühten Erwachsenseins verlieh. Man konnte mich bedenkenlos mir selber überlassen und mich gar Sami anvertrauen, mit dem zusammen mich Mutter nie gerne gesehen hatte. Kein Problem, Vater zu überzeugen; es entband ihn der peinlichen Pflicht, Nischen des Alleinseins mit Valentina zu finden, statt überall spontan den Trieben nachgeben zu können, und so freute er sich über meine frühe Selbständigkeit; ein gutes Zeichen, wie wir alle fanden.
Das Haus liegt in einem Loch. Wahrhaftig, in einem Loch; und dennoch gehört es zu den anziehendsten Flecken Erde, die ich kenne. Ein Loch, selbst - oder gerade - ein leeres, ist ein Ort, der darauf wartet, mit einem Mysterium ausgefüllt zu werden. Die Voraussetzungen für unser Vorhaben, das sich allerdings erst allmählich während unserer Anwesenheit herauskristallisierte, waren ideal. Mit dem Auto erreicht man das Haus nicht. Man muss es oben, in der Nähe der Landstrasse, stehen lassen (wo auch der Pizzaausträger seinen weissen, rot beschrifteten Ford-Kombi hinstellte) und dem Kiesweg in den Wald folgen. Dort verwandelte er sich in einen Lehmpfad und bei strömendem Regen, in den wir an unserem ersten Tag gerieten, in ein zähflüssiges Bett. Wir stapften tapfer voran. Sami haute es der Länge nach hin. Ich grinste: Er kippte buchstäblich aus seinen Halbschuhen, die im Lehm steckenblieben. Im Haus angekommen zog er sich aus und wickelte sich in eine Wolldecke ein, um die einzigen Klamotten, die er mitgebracht hatte, vor dem Cheminée trocknen zu lassen. Romantisch. Wäre er nur ein Mädchen gewesen und ich damals fantasiebegabter!
Unser Häuschen befindet sich unten im Kessel in einer Waldlichtung. Die Bäume kletteren den Hang hoch, doch wo er sich unten verflacht und die Ebene einsetzt, wächst Wiese, gesprenkelt von Hahnenfuss, Schlüsselblümchen und Sauerampfer. In den Beeten ums Haus hatte Mutter Rosen, Beeren, Salate, Radieschen und anderes angepflanzt, die sich jedesmal, wenn wir herkamen, in einem (wie Vater das nannte) ‘desolaten Zustand’ befanden. Sami und ich hatten versprochen, uns darum zu kümmern. Auf dieses Versäumnis ist Vater natürlich nie zu sprechen gekommen.
Die Sonne dringt nur in den Trichter ein, wenn sie hoch am Firmament steht, im Sommer zwischen zwölf und halb drei. Im Winter bleib sie ganz weg, ein ewig kaltes Loch, das wir immer gemieden haben. Mich wunderte immer, weshalb es das Loch damals, als noch mehr Schnee fiel, nicht zuschneite, den Garten erst, das Parterre, den ersten Stock, schliesslich das Dach, bis nur noch der rauchende Kamin herausgeschaut hätte. Wir wären - als ich mir das vorstellte, war ich vielleicht sieben - selbstredend im Haus geblieben.
Sami also hatte vorgeschlagen, den Pizzaausträger in den Trichter zu locken, wenn es in diesem schon finster war, so gegen fünf, wenn oben oder ‘draussen’, wie wir es nannten, die Sonne noch schien, sie bei uns aber - zum Erstaunen des Eindringlings - bereits verschwunden war. Sami hatte recht: Nie werde ich das verstörte Gesicht des vielleicht vierzigjährigen Mannes vergessen (heute, älter geworden, würde ich ihm eher die dreissig Jahre geben, die er laut Polizeibericht gehabt haben soll), der aus seiner sonnigen Welt kommend, durch den Wald verwandelt, in unsere unwirkliche, aber, wie er sogleich feststellte, dennoch existierende - wir fackelten nicht lange - Welt eintauchte.
Im übrigen braucht es keine sonderlichen Kunstfertigkeiten, einen Pizzaausträger anzulocken - es genügt, eine Telefonnummer zu wählen, die Bestellung aufzugeben (Calamares für Sami, Quattrostagione für mich), und eine knappe Stunde später steht er da. Er steigt in unserer Loch hinab, in seine Falle, in die ihn jeder seiner Aufträge und die Aussicht auf zwei Franken Trinkgeld lockt - keine Maus hätte auch nur eine Sekunde gezögert.
Ich bestehe darauf: Diese ganze Angelegenheit hat mit einem Verbrechen nichts zu tun. Es ist lediglich eine minime Abweichung vom üblichen Verhalten. Man braucht am Telefon nicht einmal die Stimme zu verstellen. Wir gaben der Frau am Telefon unsere (korrekten) Namen und die Adresse an. In unserem Fall war lediglich darauf zu achten, dass er den komplizierten Zugang zu unserem Haus finden würde, bevor die Pizzen kalt waren.
Mein Betreuer hat schon recht, wenn er sagt, das Weltengefüge könne nur weiterbestehen, wenn alle gewisse Regeln einhielten und ein grundsätzliches gegenseitiges Vertrauen erhalten bliebe.
In diesen zehn Tagen, spät genug, wie wir fanden - wir waren damals schon dreizehn -, begannen wir mit dem Rauchen und gingen rasch zum Kiffen über. Wir erkundeten hier unseren ersten Suff. Das höllische Gemisch aus allem Alkoholischen, was wir in Vaters vernachlässigtem ersten Zweithaus noch auftreiben konnten, reichte für einen zwei Tage andauernden Kater und versetzte uns in einen faszinierenden Schwebezustand zwischen dröhnendem Schmerz und betäubender Wohligkeit, zwischen Halbschlaf und Tagtraum, den wir mit den Bildern des ständig eingeschalteten Fernsehers durchmischten. Wir plauderten mit willkürlich ausgewählten Telefonbuchbekanntschaften (hier hätte sich ein hochinteressantes Betätigungsfeld mit von der eigenen Fantasie vernachlässigten Menschen aufgetan - was waren die Angerufenen in ihrer Einsamkeit willig, sich mit uns, völlig unbekannten, schnoddrigen Halbwüchsigen, zu unterhalten!) und probierten die 156er-Nummern durch, die in den Gratisanzeigern zu allerlei Sexaktivitäten aufforderten.
Wir lockten ein Mädchen aus unserer Klasse hierher. Beide, Sami und ich, gingen mit spektakulärem Desinteresse am dargebotenem Lehrstoff ins Untergymnasium, weil unsere Eltern das so haben wollten und aus demselben Grund blieb nichts im Gedächtnis haften. Das Mädchen, ein charmantes Ding, wusste nichts mit uns oder wir nichts mit ihr anzufangen. So gesehen hatte sie Glück, denn unser Vorhaben (nicht Verbrechen!) hätte uns durchaus einen Tag früher in den Sinn kommen können, und Marianne hätte den Pizzaausträger ersetzt. Aber das kam nicht in Frage, obwohl wir diese Überlegung gar nicht angestellt hatten. Sie trug einen uns bekannten Namen und hätte in unserer Klasse eine Lücke hinterlassen. Diese Lücke hinterliessen nun Sami und ich. Dennoch waren wir nicht wirklich überrascht, als noch am nächsten Abend - Marianne schlief bereits friedlich im eigenen Bett - die Polizei in unserem Kessel auftauchte und uns mitnahm.
Was Marianne angeht, muss ich nachträglich feststellen, dass es für uns, Sami und mich, bislang die einzige Gelegenheit war, diesen Aspekt des Lebens gleichsam live und nicht ab Konserve kennenzulernen. Ich bilde mir ein, sie hätte nichts gegen ein Abenteuer mit mir, vielleicht sogar mit uns beiden einzuwenden, es möglicherweise gar daraufangelegt gehabt. Kommt dazu, dass Marianne das erste Mädchen war, für das ich ein gewisses zögerliches Interesse entwickelte - oder entwickelt hätte, wäre mir die nötige Reifezeit dafür zur Verfügung gestanden. Nicht, dass sie mir sonderlich gefiel, doch hatte sie mir das Näherkommen erleichtert, indem sie mir näher kam, näher kommen wollte, als ich (und vielleicht auch sie) damals begriff. Jetzt, in meinen Träumen, hat sie freien Zugang zu mir, und ich weiss manchmal nicht mehr, ob wir damals in unserm Hexenhäuschen nicht doch miteinander geschlafen haben.
Sami tritt in diesen Träumen nicht auf. Wir waren Freunde. Oder sagen wir besser: Kollegen, die zufällig - gleicher Schulweg - miteinander ihre Zeit verbrachten. Mittlerweile habe ich gelernt, den Unterschied zwischen einem Freund (ich habe hier keinen gefunden) und der Interessengemeinschaft zweier Gleichaltriger zu machen, die sich auseinanderleben werden, was nur eine Frage des Heranwachsens ist. Unsere gemeinsame Tat macht uns lebenslänglich zu Freunden und verhindert diese Freundschaft gleichzeitig. War es Samis Idee? Ich weiss es nicht mehr. Es spielt auch keine Rolle.
Mein Betreuer stellte während einer unserer zahlreichen Sitzungen ernüchtert fest, dass ich für Gewissensbisse, wie er sich ausdrückte, ‘nicht disponiert’ sei. Er sagt, ich hätte kein Unrechtsbewusstsein, ein strukturelles Manko, ein Loch, das während der ersten Jahre meiner Existenz in das Gewebe meines Charakters gerissen worden sei. Ich hätte nicht, noch immer nicht, begriffen und würde, so wie er das nun sehe, wohl nie begreifen, dass ich etwas Unrechtes getan hätte.
Es ist wahr, unsere Tat quält mich nicht (ich weiss nicht, wie es Sami, der sich in einer anderen Strafanstalt befindet, geht). Ich sehe nicht ein, was es ändern würde, quälten mich düstere Gedanken. Wem wäre damit geholfen? Wer wäre dann zufrieden? Ich nahm zur Kenntnis: Es ist nicht richtig, was wir getan haben. Es existiere, lehrt mich hoffnungsvoll immer wieder mein Betreuer, in dieser Hinsicht ein gesellschaftlicher Konsens. Ich habe diese und viele andere Sätze gelernt wie die fremd klingenden Sätze einer Sprache, die ich auf Abruf spreche, aber nicht verstehe. Es bereitet mir keinerlei Mühe, sie jemanden aufzusagen - etwa meinem Vater, als er mich noch danach gefragt hatte. Es ruft ein bedauerndes Nicken hervor und vermeidet das Gespräch, vielmehr seinen Vortrag über dieses Thema, wenn ich keine sogenannte Einsicht zeige. Ich entwickelte das Gespür für den Augenblick, wann Vater sie hören wollte. Er wiegte in diesen Momenten mit leiser Genugtuung seinen Kopf. Immerhin, wird er sich gedacht haben, ist sein Sohn reuig. Dann stemmte er seinen schwerfälligen Körper hoch und machte, dass er aus der Jugendstrafvollzugsanstalt zu Valentina kam.
Vor einigen Jahren sprach ein Richter, dessen Name ich mir nicht gemerkt habe, ein Urteil über unsere Tat. Ich befand mich zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Zellen. Wände und vergitterte Fenster. Polizeibeamte, Gerichtshof, Schützenhilfe leistende Psychiater. Ja und amen. Ein Hinterhof, öd, wie ein Hinterhof zu sein hat. Alles entspricht unserer Vorstellung, weil wir alles schon gesehen haben. In meiner Zelle war ich schon überall. Es ist alles ein und dasselbe. Ebenso die Welt draussen. Vermutlich gibt es keine Welt mehr draussen. Sie ist hier, hier in meiner Zelle findet sie statt. Der Satz Pascals, die Welt hätte nicht so viele Sorgen, könnte der Mensch nur ruhig in seinem Zimmer sitzenbleiben, verlor mit der Erfindung des Fernsehers seine Gültigkeit.
Ich wurde vorgeführt und stellte mich Befragungen und Tests. Es gab Zeitungsartikel, die sich sehr besorgt über unsere Tat äusserten. Man gab sie mir zum Lesen, doch mehr als Bestätigung lösten sie in mir nicht aus. Es gab eine breit angelegte Medienempörung, die Sami und mir eine Zeitlang zu internationaler Berühmtheit verholfen hat. Es folgten bald vergleichbare, auch spektakulärere Fälle, so dass wir in Vergessenheit gerieten. Sami nutzte die anschwellende Popularitätswoge und schrieb für eine Illustrierte eine Serie über seine Beweggründe, auf deren Basis er ein Buch publizierte, das aber nicht mehr so erfolgreich war; mich interessiert dies nicht. Angebote gab es. Mir genügen meine Bilderabfolgen, meine Hirnfilme, die ich niemandem vorführe.
Ich sagte, ich würde bedauern, dass der Pizzaausträger Frau und Kinder hinterlässt. Auch hier hat der Betreuer recht, wenn er sagt, ich wüsste nicht, was das bedeutet, Frau und Kinder. Die jetzt allein sind. Selber zurechtkommen müssen, wie es weinerlich in Artikeln heisst, die kaum meinen können, was sie da schreiben, sitzen die Schreiber doch, ist der Artikel erschienen, bereits an der nächsten weinerlichen Geschichte. Die Frau müsse jetzt stark sein, und die Kinder wüchsen ohne Vater auf. Ich kann mir nicht vorstellen, was es bedeutet, dass dieser Mensch ein Loch hinterlässt.
Mein Betreuer meint, ich würde nicht wirklich bedauern. Ich gab ihm recht und sagte, ich wüsste nicht, was er mit dem Wort wirklich meine.
„Ist das ein Problem für Sie?“ fragte er mich, stellte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Finger inaneinander und blickte mich an.
„Für mich (sagte ich) ist das kein Problem, weil es für mich in dieser Zelle, aber wohl auch anderswo, kein Problem sein kann, ob es diesen Pizzaausträger gibt oder nicht.“
„Sie haben ihn nicht einmal gekannt.“
Immer wieder sagte ich, ich wüsste nicht, was das Wort wirklich bedeute. Ich weiss es nicht, bis heute nicht, und auch er, mein Betreuer scheint es nicht zu wissen; nicht mehr jedenfalls. Als wir mit unseren Sitzungen begannen, war das kein Problem für ihn.
„Bin ich wirklich?“ fragte ich ihn oft und betonte das Wort übertrieben stark. „Bin ich wirklich? Woran erkenne ich das?“
Ich bin es nicht einmal durch unsere Tat geworden, glaube aber, ich - im Unterschied zu allen, die eine solche Tat nicht begangen haben - war es, wenn auch nur in jenem kurzen, magischen Augenblick des Schiessens. Darum mag mich mein Betreuer beneiden.
Mag sein, dass ich kein Gewissen habe. Ein Gewissen scheint man zu haben, wenn man die Konsequenzen seiner Taten überblickt oder eben, wenn man sie im Nachhinein bereut. Ich habe Träume, doch diese quälen mich nicht. In meinem Kopf, im Schlaf, doch auch wenn ich von meinen italienischen Romanen (in denen, wie mein Betreuer meint, meine Sehnsucht nach Vaters Elba zutage treten würde - Unsinn: Ich würde auch andere Bücher lesen, gäbe es in der Gefängnisblibliothek andere) aufschaue und die leere Wand meiner Zelle anstarre, projiziere ich Gedanken in Bildabfolgen. Meine materialisierten Träume. Ich sehe die Filme jetzt in meinem Kopf. Ich verbüsse meine Strafe äusserlich, indem ich diese Haftanstalt nicht verlassen darf; innerlich aber bin ich frei, weil mich nichts quält. Ist der schmerzfreie Zustand, das wahre Glück, nicht unser aller Ziel? Weshalb sollte ich Qualen auf mich nehmen, wenn mich alle um meinen quallosen Zustand beneiden? Ich kann die Besorgnis meines Betreuers nicht nachvollziehen. Es ist gut, wenn einen nichts quält. Mit der Tat, wie es aussieht, werde ich ihn, nicht er mich überzeugen.
Es waren damals die grossen Sommerferien, die schwülsten Tage seit Menschengedenken, wie mein Grossvater, der immerhin auf über achtzig Sommer zurückblickt und noch immer lebt, sagte, als Sami und ich loszogen. Sami hatte den Karabiner geschultert, obwohl die Idee höchstens unbewusst in uns heranreifte (oder einfach da war, ich weiss es nicht). Wir nahmen den Zug nach Flawil, vom Bahnhof aus sind es vier Stationen mit dem Postauto, dann der Marsch der Landstrasse entlang, weg von ihr und hinein in unseren Trichter. Da waren wir. Die Tage, schwül draussen, einigermassen kühl bei uns im Loch, verstrichen eintönig.
Wir liessen den Pizzaausträger kommen. Der Pizzaausträger war Samis Vorschlag gewesen, das habe ich bereits gesagt, doch erinnere ich mich nicht, wer die Idee gehabt hat. Das Gericht zog keinen von uns in der Schuldfrage vor. Es unterschied nicht, wer zuerst geschossen hatte oder wessen Schuss tödlich war. Ich erinnere mich nur an die Ausführung. Wir schalteten den Fernseher aus. Zum ersten Mal seit fünf Tagen schwieg er. Wir wählten die Nummer. Wir diskutierten, ob es hilfreich wäre, den Namen des Pizzaausträgers zu kennen. Heute weiss ich, dass er Ernesto Manfredi hiess, doch hat das nichts geändert. Mein Betreuer, der nicht verstehen kann, dass ich mich nie nach dem Namen erkundigte und ihn mir schliesslich ungeduldig verriet, könnte ihn erfunden haben. Er spielt mit mir das Was-wäre-wenn-Spiel. Er verändert die Voraussetzungen, den Blickwinkel auf mein Problem (das eher seines geworden ist), um sich an die Beweggründe meiner Tat heranzutasten. Das ist gefährlich. Ich spiele das Spiel mit und habe den Eindruck, Runde für Runde mehr Punkte dazuzugewinnen als er.
„Was wäre, wenn Sie meine Tat erfunden hätten?“ frage ich ihn immer öfter. „Je länger wir von ihr reden, desto unwirklicher wird sie. Ich kann sie mir immer weniger vorstellen.“
Ich habe hier keinerlei Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu überprüfen. Ich muss ihm glauben. Ich kann aber auch beschliessen, ihm nicht zu glauben und, seinem Seelenheil zuliebe, an dem mir liegt - ich mag ihn -, einfach mitzuspielen. Ich denke nicht, dass er mich durchschaut. Die Artikel, die Fernsehberichte, das Blut damals, das Gefängnis jetzt - das alles könnte zu einem mir unbekannten Zweck inszeniert worden sein. Selbst die Tatsache, dass unsere Schüsse vor dem Haus Konsequenzen nach sich zogen, kann ich nicht mehr als Beweis gelten lassen, dass der Mord wirklich geschah. Alles scheint mir eingebildet, erfunden, gestellt. Je länger mein Körper hier festsitzt, je befreiter sich mein Geist bewegt, desto unwirklicher kommt mir alles vor. Schon als uns die Polizei noch am selben Abend festnahm, war uns, als wohnten wir einer Szene bei, die wir bereits kannten. Manchmal sehe ich Fernsehkameras vor mir, die auf der Wiese vor dem Haus standen. Längst ist alles vergangen. Die einzigen Beweise meiner Vergangenheit sind Dokumente, die sich leicht fälschen lassen.
Es ist alles ungreifbar geworden. Die Tatsache, dass ich hier sitze, verstärkt dieses Gefühl. Ist das Gefängnis wirklich? Weil ich die Wände abtasten kann? Wer sagt mir, was jenseits der Wände ist, und wer sagt mir, dass ich es glauben kann? Es mag einen Namen haben, doch die Gefängnisse, die es am Fernsehen zu sehen gibt, tragen auch Namen. Unser Gefängnis wurde einmal zum Schauplatz der Dreharbeiten eines Krimis, der am Fernsehen ausgestrahlt wurde, was sich alle Insassen (für einmal war es auch mir gestattet) anschauten. Ein anderes Mal gab es eine Reportage über unsere Anstalt am Fernsehen. Sie wurde beim Namen genannt, und der Direktor, der hiess wie er eben heisst, machte eine Bemerkung zum modernen Jugendstrafvollzug. Ein Insasse - Joe -, durfte eine Bemerkung machen, die jener des Direktors nicht allzu widersprach, und hält sich seither für einen Filmstar.
Ja, das Blut war echt. Es roch, war klebrig und als mir davon an die Finger geriet, verursachte das ein flaues Gefühl im Magen. Das ist meine wirklichste Erinnerung.
Er blutete wie ein Schwein, sagte Sami. Er behauptete, die Halsschlagader getroffen zu haben. Der Pizzaausträger ging sofort zu Boden. Er war uns aus dem Wald über die Wiese entgegengelaufen und öffnete, als er uns sah, den Mund, um etwas zu sagen. Da traf ihn Samis Schuss in die Brust (nicht in die Halsschlagader). Er stockte im Satz, den wir aus den Fragmenten nicht rekonstruieren konnten, doch was kann er uns schon zu sagen gehabt haben? Er stockte im Schritt, streckte uns - was komisch wirkte, und Sami lachte tatsächlich auf - die beiden Pizzen mit einer eigenartig eleganten Bewegung entgegen und fiel rücklings zu Boden.
Ich mag es, diesen Augenblick in der Erinnerung etwas zu überdehnen. Die Beine des Pizzaausträgers knicken ein, und langsam zieht dieser Vorgang den Oberkörper nach unten. Damals war in der Physikklasse von den Gesetzen der Gravitation die Rede, die der Austräger vorbildlich, nur in meiner Erinnerung eben zu langsam, befolgte. Die Arme, die eben noch die Pizzen hielten, sacken ab und aus dem zum Sprechen geöffneten Mund dringt ein stummer Schrei, der die Form einer Blutfontäne annimmt.
An dieser Stelle unterscheidet sich meine Aussage von jener Samis. Ich behaupte, was er „wie ein Schwein bluten“ nennt, sei aus dem Mund gespritzt, während er nicht von der Halsschlagaderversion abzubringen ist. Der Höhepunkt meines Erinnerungsfilmes aber sind die beiden Pizzen, die während des ganzen, eben geschilderten Vorganges in der Luft ausharrten und ihrem Überbringer erst nachfolgten, als dieser zu Boden gegangen war. Das Gras fing das Geräusch der Pizzen ab. Es stellte sich heraus, dass meine Quattrostagione eingedrückt, die Calamares jedoch – sie hielt der Auslieferer oben - ganz geblieben waren.
Ich gab den zweiten Schuss ab. Später erfuhren wir, dass dieser nicht mehr nötig gewesen wäre. Der Pizzaausträger soll sofort tot gewesen sein. Sami gab mir den Karabiner, den er sich erst vor wenigen Wochen gekauft hat (hochgewachsen wie er war, sah er fast wie achtzehn aus) und folgte mir über die Wiese zum Austräger. Blut sickerte aus dessen Mund. Er lag auf seinem rechten Arm, den er sich beim Sturz gebrochen hatte, wie ich später erfuhr. Ein Bein war angewinkelt und abgedreht. Ich trat näher an den Mann heran, legte den Karabiner in Anschlag und feuerte. Es ärgerte mich sehr (und ärgert mich noch heute), dass ich auf diese Distanz verfehlte, während Sami seinen Schuss auf ein gutes Dutzend Meter sauber plazierte. An diesem Fehlschuss ging letztlich unsere Freundschaft zu Bruch.
Sami war wieder dran. Er schüttelte den Kopf. „Du noch einmal“, bedeutete er mir.
Ich nutzte meine zweite Chance, legte neu an, und diesmal gelang es mir, ihm das Gehirn wegzublasen. Vom Effekt war ich enttäuscht. Das Gehirn spritzte nicht ins Gras. Der Kopf zerplatzte nicht. Auf den Knall des Schusses folgte ein Sauggeräusch, als schliesse jemand eine Kühlschranktür. Der Kopf hüpfte hoch, schlug erneut gegen den Boden und sackte zur Seite weg.
Das war alles.
Sami verzichtete auf einen weiteren Schuss. Mir war es auch verleidet. Er stiess mit dem Schuh gegen den Schuh des Austrägers, was nur bestätigte, was wir ohnehin wussten: Der Kerl war tot. Die Szene war vorbei. Ich nahm die Pizzen, wischte die Blutspritzer im Gras ab, und lief Sami voraus ins Haus. Er schaltete den Fernseher wieder ein. Da wir die Läden während der Mittagshitze geschlossen hatten (tatsächlich waren sie Tag und Nacht zu), war das Haus angenehm kühl.
The Hole
Translated from the German
by Alison Gallup
I had suggested going to FedEx and sending ourselves a package, but Sami's idea, to make use of the pizza delivery service, proved less complicated, and simultaneously allowed us to solve the problem of dinner. It was always either toast, crackers, chocolate or popcorn that ended up in our stomachs; we didn't want to deal with the freezer bags that had been carefully labeled by father, "loin of venison '91" or "venison ragout '93."
It had been almost ten days since we had taken up residence in my father's weekend cabin. In the meantime, he had gone to the vacation house on Elba. Our family, or what was left of it, made a clear distinction: vacation house meant Elba; weekend cabin, the gingerbread house near Flawil, that had, as father liked to say, been married into via mother. It had had its day, for mother was dead, and father had since married Elba. He had a talent for getting women with second houses. Elba was without question an improvement over Flawil: swimming pool, six rooms, view of the sea, Valentina. But whether Valentina was an improvement over my mother I'm not so sure. Elba therefore supplanted Flawil as a vacation option, at least for the long summers. Valentina introduced into our household – a household of which I would soon no longer be a part – the villeggiatura, or as father clumsily translated it: the summer vacation retreat.
I have often come across this expression in the juvenile offenders' penal institution library, having discovered there my love for Italian literature. It has been, most of all, the plays of Goldoni and Gozzi that have made quite an impression on me. Except for a staged version or two of a fairy tale, adapted for children around Christmas time, I've never seen a play – a real play. Thus, I'm not sure whether what I'm staging in my mind actually is theatre. It doesn't matter to me. My talent for imagining fiction beyond the limitations of its genre – a painting beyond its frame, TV beyond its box –, thus for willing made-up stuff into reality, as the psychologist in charge of my case sloppily puts it, is what brought me to this cell. What my psychologist doesn't seem to realize is that now it's what makes being here bearable.
It wasn't that my father hadn't asked me to join him and Valentina. I had declined the offer to accompany them to Elba that summer; Valentina saw me as a rival for my father's affection, so that my refusal not only delighted her but, moreover, bestowed upon me the aura of premature adulthood. There was no question that I could be left to my own devices, and even to Sami's, whereas my mother had never much liked seeing Sami and me together. No problem convincing father; it released him from the embarrassing duty of having to find pockets of privacy with Valentina instead of being able to yield wherever and whenever to urges, and so he was happy about my budding independence; a good sign, we all thought.
Our cabin is in a hole. I'm not speaking metaphorically. It is literally built – by my mother's father from whom I must have inherited my reclusive gene – into a deep hollow in the woods. It is among the most inviting spots on earth that I know. A hole, even – or especially – an empty one, is a place waiting to be filled with a mystery. The trees climb up the sloping sides, but below, where the hollow levels out and the flat terrain begins, grass grows, dotted with buttercups, cowslips and sorrel. In the flowerbeds around the house, mother had planted roses, berries, lettuce, radishes and an indiscriminate variety of other flowers and vegetables, which, now that she was gone, were in (as father called it) a "desperate state." Sami and I had promised to take care of them. Our failure to do so, given the other events that transpired during our stay, was something father, of course, never got around to complaining about. The sun only penetrates the hole when it's high up in the sky, in the summer between twelve and two-thirty. In the winter it stays away completely, an eternally cold hole that we avoided. I always wondered why the hole hadn't snowed up – first the garden, then the ground floor, the second floor, finally the roof, until only the smoking chimney was still left poking out. We would – I was maybe seven when I imagined this – naturally have remained inside the house.
The conditions were ideal for our plan, which, admittedly, crystallized only gradually. The house couldn't be reached by car. Cars had to be left up above, near the road (that's where the pizza delivery guy would park his white Ford station wagon with the red lettering) and from there you had to follow a gravel path into the woods. There the gravel turned to clay, and in the downpour that caught us on our first day, the path became a viscous mess. We trudged bravely onward. Sami fell flat on his face. I grinned: his shoes stayed stuck in the mud after he literally toppled out of them. Arriving at the house, he undressed and wrapped himself in a woolen blanket while the only clothes he'd brought dried in front of the fireplace. Romantic. Had he only been a girl!
I think it was Sami who suggested ordering the pizza around five, when up above, or 'outside,' as we called it, the sun still shone but, where we were, it had long since disappeared. Sami was right: never will I forget the distraught face of the 40-ish man, who, having left his sunny world and having been metamorphosed by the woods, plunged into our unreal world. As he instantly realized, however, our unreal world was a world that existed all the same.
Incidentally, it doesn't take any kind of special artifice to lure a pizza delivery guy – a calamari, a quattro stagione (for Sami), and within the hour, provided he'll find you, he's there. He descends into his trap, the bait being the prospect of a tip. Even a mouse wouldn't give it a second thought. My psychologist is quite right when he says that the world as such can only continue to survive when everyone abides by certain rules and a fundamental mutual trust is maintained. Yet I insist: this whole affair has nothing to do with a crime. It's merely a deviation from so-called normal behavior.
It was during these ten days – a little late we thought, we were already thirteen at the time – that we started smoking cigarettes. We quickly switched to pot. It was also here that we explored booze for the first time. The hellish mixture of everything alcoholic we were still able to scare up in father's neglected first second home was enough for a two-day-long binge. We were delivered into a fascinating state of suspension between resounding pain and stupefying blissfulness, between half-sleep and daydream, with images from the permanently-on television added to the mix. We chatted with people randomly chosen from the telephone book (a highly interesting range of activities with people slighted by their own imaginations could have resulted from this. What those called were willing, in all their loneliness, to discuss with us, complete strangers and brash adolescents that we were!) and we tried, one after another, the 156-numbers that invited our participation in sundry sexual activities advertised in the free circulars.
We even successfully lured a girl from our class to the cabin. Both Sami and I went to middle school with a spectacular lack of interest in the subjects offered. Susanne, a charming creature, didn't know what to do with us and likewise we with her. And so, she was lucky, for our plan could just as easily have occurred to us earlier and it would have been her and not the pizza delivery guy. As far as Susanne is concerned, I must say in retrospect that it was for us, Sami and me, the only opportunity we'd had to experience this side of life, previously unknown to us, live, so to speak, and not "packaged." She might have been open to having an adventure with me (not with Sami, that was obvious), and even possibly set out to do so, and she was the first girl in whom I developed a hesitating interest. She made our getting closer easier for me, in that she got closer to me, and wanted to get closer than I (and perhaps she as well) understood at the time. Now, in my dreams, she has direct access to me, and I sometimes no longer know if we didn't actually sleep together back then in our little gingerbread house the night before Sami and I carried out our ultimate plan.
Sami doesn't appear in these dreams. We were friends. Or, better said: classmates who happened – same route to school – to spend time with each other. Since then I have learned to make the distinction between a friend (I haven't found one here) and two people of the same age who share the same interests but who will drift apart merely because they grow older. What we did makes us lifelong friends and yet impedes our friendship at the same time. Was it really Sami's idea? I don't know anymore. And it doesn't matter.
Disillusioned, my psychologist determined during one of our numerous sessions that I was "not inclined," as he put it, to feelings of guilt. He says I have no awareness of wrongdoing, a structural deficit, a hole that was torn into the fabric of my character during the first years of my existence.
It's true, I'm not tormented by what we did (I don't know how it is for Sami; he's in a different prison). I fail to see what it would change were dark thoughts to plague me. Who would be helped by that? Who would then be satisfied? But I acknowledged: It isn't right, what we did.
Full of hope, my psychologist instructs me over and over that there is, in this respect, a social consensus. I learned this and many other such phrases like the foreign-sounding sentences of a language that I speak when prompted but don't understand. It's no effort at all for me to recite these phrases; to my father, for instance, when he was still asking me to. Such talk gave rise to a pitying nod and got around the conversation, or rather his lecture on this theme, if I wasn't displaying any so-called insight. I developed an ability to sense the exact instant that father wanted to hear these things. In these moments, he shook his head slowly, with quiet satisfaction. At least he'll have imagined that his son was remorseful. Then he'd hoist his heavy frame up from where he was sitting and go see Valentina.
I was paraded about and surrendered to questionings and tests. There were newspaper articles that voiced great concern over what we had done. I was given these to read, but they served as nothing more than a confirmation for me. There was widespread media outrage, which boosted Sami and me to international fame for a little while. Soon comparable, as well as more spectacular, cases followed, so that we were forgotten. Sami took advantage of the rising swell of popularity and wrote a series for a glossy magazine about his motives, providing the basis for his book, which turned out to be somewhat less successful; such things don't interest me. There were offers. My image sequences, my brain films, which I don't share with anyone, are enough for me.
A few years ago a judge pronounced judgment on what we had done. At different times I was in different cells. Walls and windows with bars. Police officers, courts, supportive psychiatrists. Yes, sir. No, sir. A prison yard desolate as a prison yard should be. Everything is as we imagined it, because we've already seen it all. In my cell, I was everywhere. It's all one and the same. The world outside as well. Presumably there's no longer a world outside. It's here, it's taking place here in my cell. Pascal's saying, that the world would have fewer problems were man only able to sit still in a room, lost its validity with the invention of the television.
I have said that I was sorry that the pizza delivery guy left behind a wife and children. But I don't know what it means when they say that there is now "a hole" where this person once was.
My psychologist thinks that I wasn't really sorry. I admitted he was right and said that I didn't know what he meant by the word "really."
"Is that a problem for you?" he asked me, putting his elbows on the table, clasping his hands and gazing at me.
"For me (I said), that's not a problem, because for me, in this cell, and probably everywhere else as well, it can't be a problem if this pizza delivery guy exists or not." For that matter, "Do I really exist??" I challenged him.
I hadn't even come to exist through what we had done, but believe I – unlike all the people who never committed such an act – was myself even if it was only during that short, magical moment of shooting. I find the concerns of my psychologist incomprehensible. It's a good thing when one is not tormented by anything. In that sense, my psychologist may well envy me.
It was an unusually muggy day. While the idea was ripening, unconsciously, within us (or was it just there?), the rifle we had found in the cabin was lying on the living room floor just waiting to be used. Ten days, humid outside though reasonably cool in our hole, had plodded by monotonously. We turned off the tv. We dialed the number. We discussed if it wouldn't have perhaps been helpful to know the name of the pizza delivery guy, and determined it didn't matter. Today I know his name was Ernesto Sifredi, but that doesn't change anything. My psychologist, who can't fathom why I never wondered, told it to me, though he could have made it up. He plays the what-if-game with me. He changes the conditions, the slant on my problem (that has now become his), groping for the motives for what I did. I play along and have the impression that, round for round, I win more points than he does.
"What if you invented what I did?" I've been asking him more and more frequently. "The longer we speak about it, the more unreal it becomes. It's becoming harder and harder to picture it."
Even if I wanted to, I can't check the validity of his statements from here. I have to believe him. Sometimes I simply want to believe him. The idea that everything is imagined, fabricated, made up is too horrific. Even the fact that our shots in front of the house brought me here is something I can no longer accept as proof that the murder "really" happened. The longer my body is trapped here, the more freely my mind roams and the more unrealistic everything seems. When I suggest that the articles, the television reports, the blood, even the prison where I am, could all have been staged for a purpose unknown to me I can tell that my psychologist is more disturbed than I am. So, I sometimes play along for the sake of his spiritual well-being.
Even as the police were arresting us that very night it was as if we were living a scene that we already knew. Sometimes I think I see television cameras before me, set up in the meadow in front of the house. It's all so long ago. The fact that I'm sitting in this place reinforces this feeling. Is the prison real? Because I can touch the walls? Who tells me what's really on the other side of the walls? This prison was once the setting for the shooting of a thriller that was aired on television and which all the inmates (and for once I was given permission) watched. Another time there was a report about our institution on tv. It was mentioned by name and the warden, who was also called by name, made a remark about modern juvenile offenders' penal systems, and how efficient this one is. One inmate was allowed to make a comment, which wasn't all that different from that of the warden, and since then he thinks himself a movie star.
I remember the blood well. It smelled, and was sticky, when some of it got on my fingers. Sami said he bled like a pig. He claimed he got him in the carotid. The pizza guy fell to the ground immediately. He had walked towards us, out of the woods and over the meadow, and when he saw us he opened his mouth to say something. It was then that Sami's shot hit him. He stopped short, in mid-sentence, a sentence we weren't able to reconstruct from the fragments, but what could he have had to say to us anyway? He stopped short, mid-step, held the two pizzas out toward us in an oddly elegant gesture – it was almost comical, and Sami actually burst out laughing – and fell backwards onto the ground.
I like to draw out this moment a bit in my memory. The legs of the pizza delivery guy give way, and his upper body is slowly pulled downwards. At the time, the laws of gravity were the topic under discussion in our physics class, and the delivery guy obeyed them in a most exemplary way, only just a little too slowly, the way I remembered it. His arms, which just a moment before still held the pizzas, fall, and his mouth, opened and ready to speak, forces out a muted cry that assumes the form of a fountain of blood.
It's here that my account substantially differs from Sami's, something my psychologist keeps reminding me of, probably to prove to me "how real it was." I claim that what Sami refers to as "bleeding like a pig," spurted from the mouth, while he refuses to be dissuaded from the carotid version of the story. However, the high point of my memory film is the two pizzas which waited out the entire, above-described course of events in the air only to follow their bearer after he hit the ground. While Sami's quattro stagione landed upside down, it turned out that my calamari remained fully intact.
I fired the second shot. We later learned that this was unnecessary. He's said to have died instantly. Sami passed me the rifle and followed me across the meadow to the delivery guy. Blood oozed from his mouth. He was lying on his right arm, which he had broken when he fell, as I later found out. One leg was bent and twisted. I moved closer and fired. It really annoyed me (and it still annoys me to this day) that I missed from such close range while Sami neatly hit his mark from a good dozen meters back.
It was Sami's turn again. He shook his head. "You go again," he indicated.
I used my second chance, took aim, and this time managed to blow out his brains. I was disappointed by the effect. The head didn't burst open. The brains didn't spatter in the grass. The bang of the shot was followed by a sucking sound, as if someone were closing a refrigerator door. The head bounced up, struck the ground once more and slumped to one side. If something oozed out of the exit wound, I didn't see it.
That was it.
With his shoe Sami nudged the delivery guy's shoe. Scene over. I wiped the blood off the pizza boxes in the grass and went back to the house ahead of Sami. He turned the tv on again. Because we had closed the shutters against the midday heat (actually they were closed night and day), the house was pleasantly cool.